Digitalisierung, Zukunftskompetenzen und Fachkräftemangel – die Personalentwicklung ist gefordert. Welche Trends beschäftigen uns im Jahr 2022, und was heisst das für die Bildungsfachpersonen?

Trend 1: Blended Learning gewinnt an Bedeutung

Was vor zwei Jahren in den Köpfen vieler Personalentwicklerinnen und Personalentwickler noch als Science-Fiction galt, ist mit der Corona-Pandemie innert Kürze möglich geworden: Mitarbeitende treffen sich für Weiterbildungen statt physisch im Seminarraum virtuell per Videokonferenzsystem. Man sieht sich, spricht miteinander, wird vom Trainer unterrichtet und in Partner- oder Gruppenarbeiten geschickt. Und es funktioniert, als hätten wir nie etwas anderes getan.

Soziale Nähe kommt im virtuellen Raum zwar etwas zu kurz, und gewisse Inhalte können nur schlecht vermittelt und trainiert werden. Als Antwort darauf haben Unternehmen und die Verwaltung Blended Learning entdeckt, eine Kombination zwischen Präsenz- und virtuellem Unterricht per Videokonferenzsystem.

Die Technologien werden sich zudem rasant weiterentwickeln. Vorübergehend werden wir uns mit Virtual-Reality-Brillen noch wirklichkeitsnaher im Bildungsumfeld bewegen. Neue Technologien werden in Kürze weitere ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Facebook hat angekündigt, alleine in Europa 10 000 Arbeitsplätze zu schaffen, um das «neue Internet» zu erfinden. Dieses Beispiel zeigt, dass die grossen Techunternehmen mit ihren scheinbar unbegrenzten Ressourcen an Manpower und Kapital viel in Zukunftstechnologien investieren. Diese Technologien werden auch der Digitalisierung der Bildung einen weiteren Schub verleihen.

Mittelfristig werden wir uns also in Blended Learning Settings bewegen. Viele Unternehmen testen vermehrt auch hybride Veranstaltungen. Die Teilnehmenden haben dabei die Wahl, im Präsenzunterricht oder via Videokonferenzsystem mit dabei zu sein. Langfristig werden Präsenzveranstaltungen dank neuer Technologien stark an Bedeutung verlieren.

Trend 2: Lernen wird weiter individualisiert

Die betriebliche Aus- und Weiterbildung fördert die Individualisierung der Bildungsangebote schon seit Jahren. Dies ermöglicht Mitarbeitenden ein zeit- und ortsunabhängiges Lernen. Lernangebote stehen dann zur Verfügung, wenn neue Kompetenzen benötigt werden. Die Weiterbildungsangebote werden tendenziell kürzer und von Balast befreit. Tempo und Strategie der Know-how-Aneignung steuert jede Person selbst. Die Digitalisierung der BiIdung öffnet hier zusätzliche Möglichkeiten. Individualisiertes Lernen wird die Zukunft prägen. Die betriebliche Weiterbildung nimmt hier eine Vorreiterrolle ein. Standardisierte Bildungsangebote im Klassenverband ohne grössere individualisierte Anteile werden zunehmend verschwinden.

Trend 3: Investitionen in die Digitalisierung nehmen zu

Blended-Learning-Formate und individualisiertes Training benötigen eine technische Infrastruktur. Investitionen in Learning-Management-Systeme (LMS) werden getätigt, und Räume müssen für hybride Settings aufgerüstet werden. Der grösste Posten wird aber für die Entwicklung digitaler und virtueller Lerninhalte nötig sein. Die Lernwerkstatt Olten, Bildungszentrum für Erwachsenenbildung, Coaching und Mentoring, investiert im Jahr 2022 beispielsweise rund 400 000 Franken in die Digitalisierung.

Trend 4: Talentmanagement gewinnt an Bedeutung

Unternehmen stecken viel Zeit und Geld in die Ausbildung ihres Berufsnachwuchses. Da liegt es auf der Hand, sich zu überlegen, wie man talentierte und motivierte Lehrabgänger/innen an die Firma binden und weiter fördern kann.

Junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen nach sinngebenden Aufgaben, und sie wollen sich einbringen. Mit einem Entwicklungsprogramm sollten die jungen Talente individuell weiter gefördert werden. Die Generation, welche aktuell in den Arbeitsprozess eintritt, strebt auch eine gute Balance zwischen Beruf, Familie und Freizeit an. Flexible Arbeitszeitmodelle, wie beispielsweise Teilzeitarbeit oder Jahresarbeitszeit kommen diesen Bedürfnissen entgegen. Man sollte auch mal im Homeoffice arbeiten oder für eine grössere Reise unbezahlten Urlaub nehmen können.

Programme für Fachkräfte und den Kadernachwuchs gewinnen immer mehr an Bedeutung. Gerade in Branchen mit akutem Personalmangel gilt es, Talente zu halten. Mit einem Mix von spannenden Arbeitsinhalten in einem tollen Team, attraktiven Arbeitsbedingungen und individueller Förderung wird sich die Investition in die Mitarbeitenden auszahlen.

Trend 5: Fachkräftemangel fördert die Innovativen

In etlichen Branchen ist der Fachkräftemangel seit vielen Jahren Realität. Dieser wird sich weiter zuspitzen. Firmen weichen teilweise ins Ausland aus, wo beispielsweise ganze Informatikentwicklungsteams arbeiten. Nicht alle Branchen sind jedoch mobil. Erste innovative Ideen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen, werden entwickelt. Wie das Oltner Tagblatt kürzlich berichtete, führt das Hotel Arte, als grösstes Hotel auf dem Platz Olten, ein neues innovatives Ausbildungskonzept ein, um dem Fachkräftemangel in der Gastronomie und Hotellerie zu begegnen. Seit August wird dieses Konzept umgesetzt, welches dem Berufsnachwuchs früh Verantwortung übergibt, neue Lernformen beinhaltet und auch Praktika im Ausland vorsieht. Gemäss Hoteldirektor Thomas Steidle will er als Nächstes ein ebenso innovatives Konzept für die 60 ausgelernten Mitarbeitenden entwickeln.

Trend 6: Neue Kompetenzen sind gefragt

Im 4K-Modell des Lernens wurden bereits vor vielen Jahren Kompetenzen formuliert, welche vor dem Hintergrund der Digitalisierung im 21. Jahrhundert von grosser Bedeutung sein werden: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Diese Kompetenzen bilden immer mehr Voraussetzung für wirksames Lernen und Handeln. Unternehmen werden diese Kompetenzen vermehrt nachfragen und ihre Personalentwicklungsanstrengungen darauf fokussieren.

Trend 7: Höhere Berufsbildung bleibt stark nachgefragt

Personalentwicklungsabteilungen konzentrieren sich immer mehr auf strategische Bildungsthemen. Alles andere wird eingekauft. Die tertiäre Aus- und Weiterbildung in der Schweiz ist eines der Erfolgsrezepte unseres Wohlstands. Anbieter von eidgenössischen Fachausweisen und höhere Fachprüfungen, höhere Fachschulen, Fachhochschulen, Universitäten und die technischen Hochschulen versorgen die Wirtschaft mit bestens ausgebildeten Mitarbeitenden. Die Angebote werden laufend den Bedürfnissen des Arbeitsmarkts angepasst. Ein gutes Beispiel dafür ist der Schweizerische Verband für Weiterbildung. Dieser ist Träger des AdA-Baukastensystems mit den Abschlüssen SVEB-Zertifikat, Ausbilder/in mit eidg. Fachausweis, Ausbildungsleiter/in mit eidg. Diplom und Dipl. Erwachsenenbildner/in HF. Diese Abschlüsse werden aktuell revidiert. Mit der Weiterentwicklung und Revision des AdA-Systems wird sichergestellt, dass das Aus- und Weiterbildungspersonal von morgen über jene Kompetenzen verfügt, die es im veränderten Umfeld benötigt, um professionell und qualitativ hochstehend arbeiten zu können. So fliessen beispielsweise Digitalisierung, Individualisierung und neue Lern-Lehr-Arrangements in die Ausbildung ein. Als Novum werden die Lehrgänge künftig im Blended-Learning-Format angeboten. Dabei sollen die künftigen Bildungsfachpersonen sowohl Kompetenzen für den Präsenzunterricht als auch für den virtuellen Unterricht erwerben.

Trend 8: Kompetenzen und Rollen der Personalentwicklungsfachleute ändern

Die beschriebenen Trends in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung verändern auch die Rolle der Personalentwicklungsfachpersonen. Diese sind weiterhin als Trainer und Berater/in tätig, nehmen aber immer mehr auch die Rolle als Coach und Mentor/in ein. Know-how in der Digitalisierung, strategisches und betriebswirtschaftliches Denken und Handeln sowie interkulturelle Kompetenzen ergänzen die bestehenden Anforderungen an Bildungsfachpersonen.

PRAXISTIPPS

Lohnempfehlungen 2022 für Bildungsfachleute.

Infos zur Revision der Lehrgänge SVEB-Zertifikat, Ausbilder/in mit eidg. Fachausweis und Ausbildungsleiter/in mit eidg. Diplom.