Prüfungsangst – Es passiert zwischen den Ohren

Der berühmte kanadische Ex-Eishockey-Superstar Claude Lemieux sagte einst im übertragenen Sinne: «Der Sieg wird zwischen den Ohren entschieden.» Das trifft nicht nur im Spitzensport zu, sondern auch im Berufsleben und bei Ausbildungen. Speziell dann, wenn es darum geht, in Prüfungen die eigenen so mühsam erwirtschafteten PS auf den Boden zu bringen.

Was macht eine gute Wettkämpferin oder einen guten Wettkämpfer aus? Talent, Durchhaltevermögen und Fleiss, die Veranlagung für eine hohe Leistungsfähigkeit und eine gute physische Vorbereitung – gewiss. Aber mindestens so wichtig ist die mentale Stärke. Was so viel bedeutet wie, dass man genau dann seine Topleistung abrufen kann, wenn diese gefordert beziehungsweise, wenn der ideale Zeitpunkt dafür gekommen ist. Genauso ist es auch in unserer Leistungsgesellschaft. Und besonders bei Prüfungen. Am «Tag X» muss man liefern. Viele aber haben genau damit ein Problem. Das muss nicht sein.

Weit verbreitetes Problem

Ja, Prüfungsangst ist weit verbreitet. Der falsche Weg sei, sie einfach so hinzunehmen, sagt etwa Doris Sager. Sie kennt sich als Coach und Supervisorin BSO mit über 20 Jahren Erfahrung auf diesem Gebiet aus. Viele, die mit einer Nervosität vor einer Prüfung kämpfen, sagen sich: «Es ist eigentlich nur eine Prüfung. Und ich habe mich ja vorbereitet.» Dennoch schlägt das Herz schnell, die Hand zittert und ein Blackout jagt den nächsten. An Prüfungsangst leiden nicht etwa nur Schulkinder. Nein, auch Erwachsene. Doris Sager: «Ich kenne einige, die vor Prüfungen nicht mehr ansprechbar sind und panisch werden.» Zwar könne eine leichte Anspannung förderlich sein, um das volle Leistungspotenzial abrufen zu können. Das wird oft im Leistungssport sogar gefördert. «Wenn jedoch das zu beweisende Wissen nicht ganz verinnerlicht ist, wird der Stress ausschliesslich negativ empfunden, was eine kognitive Blockade bewirkt», so Doris Sager. Schweissausbrüche oder Zitteranfälle, kognitive Blockaden, der Drang zur Flucht und Schlafstörungen sind verbreitete Symptome. Oft, erklärt Doris Sager weiter, kommt auch ein negativ geprägtes Gedanken-Karussell dazu: «Ich schaffe das nicht. Ich bin nicht gut genug» – solche Gedanken schiessen durch Kopf und Körper.

Effizient dagegen steuern

Wer an Prüfungsangst leidet, sollte frühzeitig handeln. Denn, wie Doris Sager festhält: «Je früher wir uns einer Prüfungsangst stellen, desto einfacher ist es, sie in sinnvolle und nutzbringende Bahnen zu lenken.» Bei ersten Anzeichen sei die Reflexion des Themas unter Beizug eines Coaches sinnvoll. Auch gibt es entsprechende Kurse: «Für Betroffene können es kurze Seminare oder Webinare sein, welche auf die Entwicklung persönlicher Strategien ausgelegt sind. Sie haben den Vorteil, dass die betroffene Person erkennt, dass sie mit ihrer Angst nicht alleine ist», sagt die Fachverantwortliche und Kursleiterin an der Lernwerkstatt Olten.

Sich ein Ziel setzen

Eine Betroffene, die an Prüfungsangst leidet, hat für sich Strategien gegen ihre Prüfungsangst entwickelt: «Ich lerne möglichst häufig, aber in kurzen Sequenzen. Am Abend vor der Prüfung unternehme ich etwas mit Freunden oder lese.» Und was rät die Expertin? «Sinnvoll ist es, sich früh damit auseinanderzusetzen. Wenn die Prüfung noch in weiter Ferne steht, triggert die Angst nicht zu stark.» Dann gelte es, den Auslöser zu finden: «Machen Sie sich ihre Gedankengänge und das Eigenleben ihrer Emotionen bewusst.» Schliesslich sei es wichtig, ein Ziel zu setzen und sich eine erfolgreiche Prüfungssituation vorzustellen. «Verankern Sie diese Erinnerung. Trainieren Sie sich diese Zuversicht mittels Repetition der mentalen Gedankenmuster an, ähnlich wie Sie einen Muskel mit Sport trainieren.»