Der Druck aus Praxis und Politik wurde enorm – Endlich sollen der «Bachelor» und «Master» für Berufsleute eingeführt werden. Nach jahrelangen Forderungen der Berufsverbände schlägt nun also das Bildungs-Staatssekretariat die Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» vor. Es wird der Aufwertung gerecht, die jene Berufsleute verdienen, die sich auf hohem Niveau weitergebildet haben.

Schweizerische Berufsleute sind gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligt, weil sie keinen Bachelor oder Master erhalten, wenn sie sich nach der Lehre weitergebildet haben. Der vorläufig letzte Versuch, diese Titel einzuführen, scheiterte in der Frühjahrssession im Ständerat.

Das war dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) zuviel. Man will die Einführung der längst überfälligen Titel «Professional Bachelor» und «Professional Master» forcieren. Und zwar für jene, die eine eidgenössische Berufsprüfung oder höhere Fachprüfung abgelegt haben. Das SBFI ist zudem im Zugzwang, denn bereits erste Versuche mit einem Titelzusatz wie «Advanced Federal Diploma of Higher Education» haben sich nicht durchsetzen können.

In Deutschland bereits gebräuchliche Titelzusätze

Ein erster Berufsverband hat aber bereits die Geduld verloren und «eigenmächtig» gehandelt. Der VEB (veb.ch) mit schweizweit über 9’000 Mitgliederinnen und Mitgliedern. Dazu zählen insbesondere Expertinnen und Experten in Rechnungslegung und Controlling sowie Inhaberinnen und Inhaber des Fachausweises im Finanz- und Rechnungswesen. Sie zählen in der Schweiz zu den eidgenössisch geprüften Fachleuten für alle Fragen des Rechnungswesens auf allen Unternehmensebenen. Daneben können auch ausgewiesene Spezialistinnen und Spezialisten des Rechnungswesens mit anderer Ausbildung dem Verband beitreten. Bei der Generalversammlung 2023 beschloss man enthusiastisch, den eidg. Fachausweis als «Bachelor Professional veb.ch in Accounting®» und das eidg. Diplom als «Master Professional veb.ch in Accounting®» einzuführen. Diese Titel sind bereits in Deutschland gebräuchlich, was veb.ch dazu veranlasste, die dortige Schreibweise zu übernehmen. Seit dem 1. Juli 2023 können veb.ch-Mitglieder die Zertifikate mit den genannten Titeln erwerben.

Ein Präzedenzfall und ein Impuls für andere Berufsverbände

Für Weiterbildungsanbieter ist dieses proaktive Vorpreschen des VEB eine interessante Entwicklung und wird als Präzedenzfall gelten, der auch anderen Berufsverbänden einen Impuls geben wird, gleich zu ziehen, falls es in naher Zukunft keine Lösung auf Bundesebene gibt. So meint Lernwerkstatt Olten-CEO Daniel Herzog: «Das ist eine gute Nachricht und der Impuls wird Wirkung zeigen. Auch für unsere Branche, denn auch die Lehrgangsteilnehmenden der Lernwerkstatt Olten würden von den zusätzlichen Titeln profitieren. Die Ausbilder/innen mit eidg. Fachausweis, die Betriebl. Mentoren und Mentorinnen mit eidg. Fachausweis und die HR-Fachleute mit eidg. Fachausweis dürften sich «Professional Bachelor» nennen. Die Absolventinnen und Absolventen des Lehrgangs «Ausbildungsleiter/in mit eidg. Diplom» wären dann «Professional Master». Daniel Herzog weiter: «Die international verständlichen Titel sind längst überfällig. Spätestens als diese von Deutschland und Österreich eingeführt worden sind, hätte die Schweiz nachziehen sollen. Wer im Ausland arbeiten möchte oder in einem Unternehmen mit internationalem Management arbeitet, ist heute klar benachteiligt.» Zum Vorpreschen des veb.ch meint Herzog: «Ich kann gut nachvollziehen, dass dem Verband der Geduldsfaden gerissen ist, da sich gerade Fachpersonen in der Finanzwelt häufig in einem internationalen Umfeld bewegen. Gut möglich, dass weiter Verbände nachziehen, wenn es nicht bald zu einer Lösung auf Bundesebene kommt.»

Höhere Akzeptanz und Sichtbarkeit

Und was folgt jetzt? Mit den ergänzenden Titeln werden die Sichtbarkeit und die Akzeptanz der Abschlüsse der höheren Berufsbildung gestärkt und auch als positives Signal für einen weiteren Bildungsweg wirken.

Verdient wäre der Titelzusatz allemal. Die eidgenössischen Fachausweise, eidgenössischen Diplome und Höheren Fachschulen (HF) haben in der Schweiz aufgrund des Bildungssystems eine Schlüsselfunktion. Der Anteil der Erwerbstätigen, die einen Abschluss an einer Hochschule oder einer höheren Berufsbildung gemacht haben, ist in den letzten 15 Jahren von 22 auf 35 Prozent gestiegen. Damit liegt die Schweiz im europäischen Vergleich im vorderen Bereich. Aber: Das Schweizer Bildungssystem ist komplex und für Aussenstehende manchmal wenig durchschaubar. So gibt es auf der tertiären Bildungsstufe sowohl Fachhochschulen wie höhere Fachschulen. Während Erstere als Hochschulen klassifiziert und institutionell anerkannt sind, stellen die Höheren Fachschulen (HF) einen Teil der höheren Berufsbildung dar. Obwohl sie zu eidgenössisch anerkannten und geschützten Titeln führen, haben sie sowohl in der Schweiz selbst als auch international noch einen schwierigeren Stand.

Höhere Berufsbildung im Tertiärsektor immer wichtiger

Laut Prognosen des Bundesamtes für Statistik dürfte ab 2025 über die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung über einen Tertiär-Abschluss – Hochschule oder höhere Berufsbildung – verfügen. Bis 2045 könnte der Anteil bis auf 60 Prozent ansteigen. Speziell die eidgenössischen Fachausweise, eidgenössischen Diplome und HF-Ausbildungen erfreuen sich doch immer grösserer Beliebtheit. Nahezu die Hälfte der Erstabschlüsse auf Tertiärstufe wird in der Schweiz mittlerweile im Rahmen der höheren Berufsbildung, also mit dem Abschluss eines «eidg. Fachausweises », einem «eidg. Diplom» oder «Diplom HF», erworben. Kein Wunder, denn Trend-Jobs wie beispielsweise «Ausbilder/in mit eidg. Fachausweis», «Betriebl. Mentor/in mit eidg. Fachausweis» oder «HR-Fachmann / HR-Fachfrau mit eidg. Fachausweis» werden künftig noch gefragter denn je. Zudem werden jenen, welche an einer eidgenössischen Berufsprüfung oder höheren Fachprüfung teilnehmen, die Ausbildungskosten mit bis zu 50 Prozent subventioniert.

In der innovationsstarkenSchweiz bereiten Anbieter von Vorbereitungslehrgängen auf Berufsprüfungen, Höhere Fachprüfungen und Höhere Fachschulen die Studierenden auf ihre künftigen Aufgaben vor. Die Unternehmen wollen heute Praktiker/innen, also bauen die Ausbildungen vor allem auf der beruflichen Erfahrung auf. Man spezialisiert und vertieft sein Fachwissen. Es brauche neben den Hochschulen in der Aus- und Weiterbildung auch die Anbieter von Vorbereitungslehrgängen auf Berufsprüfungen, Höhere Fachprüfungen und Höhere Fachschulen, die mit Engagement, Initiative und Innovation punkten und praxisnah unterrichten, bestätigen auch die Leitexpertinnen und -experten des SBFI für Qualitätsmanagement an Fachschulen: Das handlungsorientierte Unterrichten ist nicht nur im Trend, sondern ist auch gefordert. Der fachlich-sachliche Unterricht ist die Basis, aber der Praxisbezug muss eindeutig da sein. Die Anbieter von Vorbereitungslehrgängen auf Berufsprüfungen, Höhere Fachprüfungen und Höhere Fachschulen machen dabei eine vorbildliche Arbeit.